Wolfgangseelauf, 21. Oktober 2007

Der Wolfgangseelauf soll einer der schönsten landschaftlichen Strecken sein, und deshalb muss man ihn auch mindestens einmal im Leben gelaufen sein. Margit und ich nehmen ihn uns schon länger vor, und diesmal haben wir uns auch rechtzeitig angemeldet und Quartier besorgt.

Seit Monaten bin ich nicht mehr zu langen Läufen gekommen, auch nicht zu Läufen mit Höhenmetern. In der Zeit der Vorbereitung fielen ein paar Ausreden wie Krankheit oder Familiensachen. Meine Kondition ist ziemlich schlecht. Nachdem ich aber doch schon ein paar Jahre Lauferfahrung habe, will ich mich nicht unnötig quälen. Ich nehme mir vor, einfach so lange mitzulaufen, wie es Spass macht, mich dann ins nächste Wirtshaus zu setzen und mich von Matthias abholen zu lassen.

Im Salzkammergut schneit als, als wir am Vortag anreisen. Der Wintereinbruch hat einige Leute überrascht, wir treffen auf Autos mit Sommerreifen, die eher schwimmen als fahren, oder an der Leitplanke kleben. Margit ist vorsichtig, wir nehmen den Umweg über ihr Elternhaus und wechseln die Reifen; ihre Mutter bewirtet uns mit köstlichen Bratwürsteln und Bohnensalat.

Der Start ist zu einem vernünftigen Zeitpunkt, 10:30. Zeit genug für ein gemütliches Frühstück (es sitzen viele Läufer an den Frühstückstischen, und Laufanekdoten werden ausgetauscht). Die Kleidungsfrage ist keine: nachdem es immer noch heftig schneit, und der Schnee in der Ortschaft schon über fünf Zentimeter hoch liegt, wird lang-lang gelaufen. In meine Jacke passt viel hinein, auch zwei Packungen Taschentücher, Geld, Magnesium und eine kleine digitale Kamera.

Wir starten im zweiten Block ganz hinten, mitten in der Stadt, gleich neben dem Weissen Rössl. Der Veranstalter hat sich für die Zuschauer etwas ausgedacht: ein Athlet läuft neben der Kirche auf einem Laufband, in dem die Strecke mit ihren Steigungen einprogrammiert ist. Dem geht es gut, er lauft kurz-kurz, hat er doch ein Zeltdach über dem Kopf und ist windgeschützt.

Die Stimmung ist gewaltig, die Läufer freuen sich auf den Lauf. Bestzeitambitionen hat in unserem Block und angesichts der Wetterlage niemand, und so laufen wir friedlich los. Die ersten Kilometer gehen durch die Zivilisation, durch die Stadt und den See entlang. Wir werden immer wieder angefeuert. Nach einigen wenigen Minuten hören wir Böllerschüsse - wie wir später erfahren, bedeutet das, dass die ersten schon auf dem Falkenstein angekommen sind. Aber zum Glück wissen wir das nicht, es hätte uns doch sehr frustriert.

Nach zirka drei Kilometern, gerade genug, um aufgewärmt zu sein, beginnt der Anstieg auf den Falkenstein. Vor uns windet sich ein Geherband die Serpentinen hinauf; hier läuft keiner mutwillig.

Wir wandern auch kräftesparend aufwärts. Kurz vor dem Wald eine Stimme aus dem Publikum "Billy" - nanu, das ist ja mein Spitzname im run42195-Forum? Hier steht Fredmann und feuert uns an, lässt sich dann mit uns fotografieren.

Dafür haben wir gerne ein paar Sekunden Zeit, wir haben es nicht eilig. Dann geht es in den wunderschön verschneiten Wald hinein. Der Schneematsch liegt immer höher, je höher wir wandern.

Meine Brille ist nass und angelaufen, ich sehe nicht, wohin ich steige. Bei fast jedem Schritt rutschen meine Beine davon, meistens rückwärts, manchmal seitwärts. Noch tut es nicht weh, aber ich weiss, dass diese Kilometer mich später schmerzen werden. Aber das macht ja nichts, ich will ja nur so weit laufen, wie es leicht geht, mich dann ins nächste Wirtshaus zu setzen und mich von Matthias abholen zu lassen.

Immer wieder treffen wir im Wald Streckenposten, die uns fragen, ob wir die letzten sind. Wir verneinen, da waren noch ein paar hinter uns. Wir werden angefeuert, als ob wir Helden sind.

Endlich oben bei der kleinen Kapelle angekommen, die den Pass markiert.

Von nun an geht's bergab, noch steiler als bergauf. Wir versuchen mit kleinen Trippelschritten, schnell und effizient hinunterzulaufen. Schade, dass wir kein Plastiksackerl mitgenommen haben. Da hätten wir uns draufsetzen und ins Tal rodeln können. Hier ist die Landschaft fast noch schöner verschneit als bergauf. Zwei Kinder spielen im kniehohen Schnee, eines kann sich sogar zur Gänze drin verstecken.

Margit kommt nicht ganz verletzungsfrei davon, einmal rutscht sie aus und fällt hart aufs Steissbein. Aber sie versichert, dass sie weiterlaufen kann.

Fast bin ich enttäuscht, als wir unten ankommen, und die Landschaft wieder herbstlicher wird. Bei der Labestation werden wir mit warmen Tee begrüsst und unserem Namen begrüsst. (Der obligate Witz von Müllers Büro darf auch nicht fehlen) Wir laufen jetzt einen romantischen Fussweg zwischen Felsen und Wasser entlang. Wenn nur nicht die tiefen Lacken wären, in die ich immer wieder steige.

Schliesslich kommen wir in die erste Ortschaft, St. Gilgen. Eine Gruppe Japaner feuert uns auf Japanisch an. Zumindest hört es sich wie anfeuern an. :-)

Kurz nach der Ortschaft ist km 10 erreicht, und es wird Zeit für mich, einen Busch zu suchen. Die Bratwürstel und Bohnen vom Vortag waren vielleicht nicht die beste Unterlage für einen so langen Lauf.

Wir sind jetzt an der anderen Seeseite und laufen unterhalb der Bundesstrasse entlang. Ungefähr jeden Kilometer überholen wir einen Läufer, der sich im Anfangstempo überschätzt hat. Margit gibt ordentlich Gas, es macht ihr Spass. Mir macht es auch Spass, aber ich weiss, dass ich eine Spur zu schnell unterwegs bin. Würde ich alleine laufen, ich wäre langsamer. Aber ich fürchte mich nicht vor einem Einbruch, denn wenn meine Kräfte nachlassen, werde ich mich ins nächste Wirtshaus setzen und von Matthias abholen lassen.

Bei Kilometer 14 überholen wir einen Läufer in rosa Jacke, der Wadenkrämpfe hat. Ich schenke ihm ein Magnesium. Kurz darauf biegen wir von der Bundesstrasse ab und laufen in den herrlich bunten Herbstwald hinein.

Bei km 15 brauche ich wieder einen Busch. Jetzt wird es mir langsam zu blöd. Wir laufen jetzt immer wieder durch kleine Siedlungen und an Bauernhäusern vorbei, kriegen an einer Labestation warmen Tee und eiskalte Bananen und liebevolle Anfeuerungen.

Bei km 17 wird die Zwischenzeit (2:28:58) genommen (hier ist der Start des 10km-Laufes) Wir haben noch fast einenhalb Stunden Zeit auf den Zielschluss. Aber dann fängt das Elend an. Abwechselnd krampfen meine Oberschenkel, oder ich muss wieder hinter den Busch. Zum Glück hab ich zwei Packungen Taschentücher mit, und es gibt viel frischen Schnee.

Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt für mich, auszusteigen. Ich will nur noch bis zum nächsten Wirtshaus laufen, mich hineinsetzen und mich von Matthias abholen lassen.

Margit hingegen eröffnet mir nun ihre WK-Taktik: sie will unter vier Stunden und mit mir ins Ziel laufen. Meinen Ausstieg lässt sie nicht zu. Zum Glück hat sie eine gute Idee: ich kann mein Magnesium auch selbst essen. Gute dass sie dran denkt, mein Hirn war offenbar schon zu leer für diese Taktik.

Wir gehen etwa zwei Kilomter weit, bis meine Krämpfe nachlassen, dann traben wir langsam weiter. Unsere Aufmerksamkeit war offenbar etwas getrübt gewesen. Als wir bei einer Kreuzung den Weg nicht mehr finden, der bis dahin gut angeschrieben war, werden wir von einem freundlichen Herrn nach links in eine Seitengasse geschickt. Dort finden wir auch die Markierung wieder, um die wir offenbar einen kleinen Umweg gemacht hatten.

Bald kommt die letzte Labestation bei Strobl, km 21. Ich gönne mir ausgiebig zwei Iso und die Anfeuerung durch den Moderator. Margit ist gut aufgelegt. Ich will sie endgültig auf die Strecke ins Ziel schicken, sie ruft Matthias an und lässt sich von ihm bestätigen, dass sie mich ins Ziel ziehen soll. Die vier Stunden vor Zielschluss sind immer noch drin.

Weil ich Margit nicht enttäuschen will, und das Magnesium und das Iso doch ein bisschen wirken, traben wir weiter. Ein paar wenige Gehpausen brauche ich immer dann, wenn es bergauf geht, aber meistens jogge ich müde vor mich hin. Wir umrunden den letzten Hügel auf der Strasse, leider ohne Gehsteig und nicht abgesperrt. Das ist aber zum Glück keine Durchzugsstrasse, sondern die Sackgasse zum Start/Ziel, und fast alle entgegenkommenden Autofahrer sind Läufer, die das Abenteuer schon hinter sich haben. Sie weichen grosszügig aus und feuern uns an.

Die letzten zwei Kilometer in die Ortschaft werden wir immer wieder angefeuert. Plötzlich steht da wieder Fredmann und filmt. Ich vermute aber, dass ich weniger lustig als sonst auf diesem Film aussehe, ich bin zu beschäftigt, meine schmerzenden Oberschenkel zu ignorieren.

Der Schlusssprint geht zum Glück bergab, auch wenn es weh tut, können wir noch laufen, und Hand in Hand stürzen wir uns ins Ziel, drei Minuten vor dem offiziellen Zielschluss und sieben Minuten unter der Vier-Stunden-Nettozeit (3:53:32). Matthias fotografiert uns, und ich bin unheimlich glücklich und total kaputt. Das erste Mal in meinem aktiven Läuferleben gehe ich ins Massagezelt und versuche, mir die Krämpfe wegmassieren zu lassen. Ein wenig gelingt es auch, aber die Massage tut mehr weh als der ganze Lauf. ;-)

Das wirklich gemeine aber ist: als wir dann endlich aufbrechen und heimfahren, kommt die Sonne heraus. Was wären das für schöne Bilder gewesen!

Fazit:


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